Frankreich ist und bleibt in Europa führend im Bereich der Animation, das wurde in Toulouse bei der 25. Auflage des Cartoon Forum (23.–26. September 2014), dem Finanzierungsmarkt für europäische Animationsserien, deutlich.
Enttäuscht wurden diejenigen der rund 850 Teilnehmer, die sich von neuen digitalen Plattformen eine aktivere Rolle in Finanzierung und Auswertung von Animationsproduktionen wünschen. Zum Auftakt der Veranstaltung hob Frédérique Bredin, Präsidentin des CNC, die Bedeutung der französische Animationswirtschaft hervor: Die Branche bietet mehr als 5000 Arbeitsplätze, jährlich entstehen rund 320 Stunden Animation, 40 Prozent der Programmexporte Frankreichs entfallen auf das Genre. Eine exzellente Ausbildung und sprudelnde Fördergelder sind der Nährboden der Branche, die ihreStärke mit über ein Drittel der vorgestellten Projekte beim diesjährigen Cartoon Forum unter Beweis stellte. Weit abgeschlagen folgten Belgien, Irland und Großbritannien mit je neun Projekten, Deutschland war mit drei vertreten.
Marc Vandeweyer, General Direktor von Cartoon, wurde dieses Jahr von 50 Prozent mehr Einreichungen als im Vorjahr überrascht. Weil man keine Projekte abweisen wollte, „haben wir uns entschlossen, auch kürzere Pitches zuzulassen“. Offen bleibt, ob sich die Zahl der Abspielflächen für Animationsserien vergrößert und damit die Abhängigkeit vom Fernsehen schwindet. France Télévisions hat zwar erst France 4 zwischen 6 und 18:30 Uhr komplett auf Animation umgestellt, und VoD-Plattformen waren als Einkäufer nach Toulouse gereist, doch richtige Game-Changer fehlten. Die Netflix-Vertreterin etwa sagte ihren vorab groß propagierten Besuch bei Cartoon Forum aus Angst vor dem Air-France-Streik ab, und Amazon Studios suchte nur Vorschulprogramme. Die Zahl der Projekte im Vorschul- und Kinderbereich nahm erneut deutlich zu. Hintergrund: Die Produzenten finden hier am ehesten einen Sender – oder seit Neuestem – einen VoD-Partner. Anderseits fehlten dieses Jahr originelle Ideen.
Aus der Vielzahl von schon Gesehenem stach die dänische Kinderserie „Me & Sonny“ hervor, die im Stil von Kinderbuchillustrationen die Abenteuerlust eines Mädchens feiert. Zu den Projekten, die die meiste Neugier von Koproduzenten und Investoren hervorriefen, ge hörte auch „Mick – Der Kobold-Chefkoch“ der Animationsfabrik Hamburg. Wie zahlreiche andere Projekte auch greift die Serie das Thema gesunde Ernährung auf.
Traditionell trifft sich am Rande von Cartoon Forum die deutsche Produktionsbranche. Dieses Mal stand die Zusammenarbeit mit den Benluxländern im Vordergrund. Eric Goossens vom belgischen Studio Walking the Dog erklärte, dass Deutschland aufgrund hoher Standards ein gesuchter Koproduktionspartner sei. Darüber hinaus hätten die Länder das Potenzial, gemeinsam Filme für den Weltmarkt herzustellen. „Wir wollen eine langjährige Zusammenarbeit mit deutschen Firmen über einzelne Projekte hinaus“, sagte er in Toulouse. Um die Zusammenarbeit zu fördern, wird von Bruno Felix Willes Firma Submarine in Maastricht ein Studio gebaut, das Ende des Jahres betriebsbereit sein wird. Jan Bonath, Leiter der Sektion Animation der Deutschen Produzentenallianz, sagte zur Bedeutung solcher Treffen: „Koproduktionen sind für die Finanzierung von Animationsprojekten essenziell. Nur wenn wir laufend über Finanzierungsmöglichkeiten und gemeinsame Projekte sprechen, können wir sie auch erfolgreich anschieben.“
Nachgefragt bei Jan Bonath, Leiter Sektion Animation Produzentenallianz
Toulouse – Das Cartoon Forum hat wieder gezeigt, dass Frankreich das Animationsschlaraffenland ist. Verliert die deutsche Branche den Anschluss?
Frankreich ist bei Animation für das Fernsehen Marktführer und Exportweltmeister. Da fragt sich vermutlich jedes Land, ob es den Anschluss verliert. Wenn wir in Deutschland unseren Kindern Programm bieten wollen, das ihrer Lebenswirklichkeit entspricht und ihnen die Gelegenheit bietet, eine kulturelle Identität zu erwerben, dann sind französische Produktionen dazu weniger in der Lage als die Produkte deutscher Produzenten. Das heiß, es gibt immer einen Platz und eine Berechtigung für deutsche Inhalte.
Wie könnte man die deutsche Animation stärken?
Animationsinhalte deutscher Hersteller werden in der Regel vom Heimatsender als Koproduktion mitfinanziert oder als Auftragsproduktion vom Sender zu 100 Prozent finanziert. Beide Varianten sind jedoch teurer als ein Lizenzeinkauf. Möchte man die deutsche Animation stärken, muss man überlegen, ob Sender oder Förderungen mit mehr Geld ausgestattet werden. Die Überlegenheit der französischen Animationsbranche beruht auf besseren Finanzierungsinstrumenten. Die Allianz der Produzenten schlägt ein anderes Modell vor: Der Sender erwirbt eine Lizenz, und der Produzent behält alle anderen Rechte zur Auswertung.
Bieten neue Plattformen wie Netflix, Amazon oder Euro DVD zusätzliche Verwertungs- und Einnahmemöglichkeiten?
Eindeutig ja. Aber wer profitiert? So weit wir es überschauen können, kommt hinsichtlich der bereits im Markt befindlichen Ware noch nicht allzu viel bei den Produzenten an. Für neue Projekte werden die neuen Player aber eine große Rolle spielen. Vollkommen unklar ist noch, mit welchen Produktionsvolumina sie den Produktionsmarkt betreten.
Welchen Stellenwert hat der Finanzierungsmarkt Cartoon Forum für die deutsche Branche?
Das europäisch finanzierte Cartoon Forum hat dieses Jahr zum dritten Mal in Toulouse stattgefunden. Die überstarke Präsenz der französischen Branche wird nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gebracht und zementiert. Das vormals reisende Cartoon Forum ist seit geraumer Zeit aus finanziellen Gründen fest in Frankreich angesiedelt. Es wäre wünschenswert, wenn andere Staaten und Regionen erkennen würden, welch kulturelles und wirtschaftliches Potenzial in dieser Industrie liegt, und sich der für die Branche sehr wichtigen Veranstaltung als Gastgeber anbieten würden. Der Nutzen von Cartoon Forum scheint für die deutsche Branche etwas eingeschränkt, ist aber unbestritten.
Dieser Artikel erschien zuerst in dem Fachblatt Blickpunkt:Film im September 2014