Die Fuß- und Radfahrerampel am Berliner Columbiadamm zwischen Hasenheide und dem Columbiabad, um das herum ein Weg zum Tempelhofer Feld führt, wird gerne von Autofahrern übersehen. Als es noch die Neuköllner Maientage gab, war regelmäßig zu beobachten wie Autofahrer nicht auf die Rotphasen achteten und dadurch die zahlreichen Familien gefährdeten, die entweder auf den Rummel oder zurück nach Hause wollten.
Beinahe wäre ich ein Opfer einer Aurtofahrerin (Ja, tut mir leid – aber Frauen sind nicht zwangsläufig die besseren Verkehrsteilnehmer*innen) geworden. Gerettet hat mich mutmaßlich Bibel.tv oder eine mit dem Sender verbundene Kraft. Der Sender nutzte nämlich die günstigen Januartarife für Plakatwände und hatte eine Fläche genau gegenüber der Ampel gemietet.
So stand ich eines morgens auf dem Weg zur Schule (zu dem Zeitpunkt war ich noch Lehrer) leicht verpennt mit meinem Rad an der Ampel und schaute auf das Plakat an der Wand des Schwimmbads. „Warum wir beten.“ lautete die Kampagne und ich sinniert über das Testimonial und was es wohl bedeuten würde. Sie müssen wissen, ich bin religiös erzogen worden. Ich bin mir bewusst wie wichtig Religion vielen Menschen ist, wie viel es ihnen auch im positiven Sinn bringen kann. Daher stehe ich diesem Thema im Sinne von Philosophie und der Gestaltung von Gesellschaft offen und proaktiv gegenüber.
Der Claim lautete: „Wir beten, weil Gebet mehr Kraft hat, als man öfter denkt.“ Gebet, so erinnerte ich mich, ist ein Zwiegespräch mit dem höheren Wesen, an das man glaubt. Das bedeutet aber auch, dass man in gewisser Weise mit sich selber spricht – also Fragen und Probleme, mit denen man sich beschäftigt, an sich selber richtet und dadurch aktiv darüber nachdenkt. Diese Beschäftigung – insbesondere, wenn man sich dabei noch bewegt (Stichworte: Laufen, Radfahren) – führt dazu, dass man auch selber Lösungen entwickelt, die idealerweise in Handlungen und somit positiven Veränderungen führen.
War es das, was bibel.tv meint? Oder wird hier noch das ‚Bestell-Gebet‘ beworben. Damit bezeichne ich das Gebet, in dem es darum geht, dass dieses höhere Wesen es für einen richtet.
Während ich noch darüber nachdachte, welchen Nutzen welche Art von Gebet für den Einzelnen haben mag, bemerkte ich im Augenwinkel, dass es für mich Grün geworden war. Ich wollte instinktiv los fahren, als ein kleiner schmutzig-roter Wagen vor mir entlang sauste.
Ich war viel zu überrascht, um einen Schreck zu bekommen oder den Adrenalinschub, den ich schon öfters spürte, wenn ich von einem aggressiven Autofahrer abgedrängt und bedroht wurde. (Kommt leider häufiger vor. Gibt dann jedesmal eine Anzeige!) Leider war ich auch zu überrascht, um mir die Nummer zu merken. Immerhin konnte ich erkennen, dass die Fahrerin eben eine Fahrerin war.
Als ich weiter Richtung Süden nach Britz fuhr, überlegte ich, was da eigentlich gerade passiert war. Klar war: Ich hatte mich nicht versichert, ob die Autofahrenden sich Regelkonform verhalten. Das tue ich eigentlich sonst immer, weil ihnen aus Erfahrung nicht zu trauen ist – gerade am Columbiadamm, der aufgrund seiner Breite zum Rasen einlädt. Zudem hatte ich erst einige Wochen zuvor von einem Jungen gelesen, der tödlich verletzt wurde. Als die Ampel umschaltete, beschleunigte der Autofahrer bei Gelbrot, während der Junge schon vor dem Umschalten auf Grün los rannte. So it goes.
Aber warum hatte ich – wie schon sooft zuvor – Glück und bin mal wieder davon gekommen (und meine Unfallversicherung auch)? Schutzengel? Kharma? Kismet? Mich wundert ohnehin immer, warum es so wenige Unfälle gibt. Denn so wie sich die meisten im Verkehr bewegen – insbesondere Fußgänger mit Handyblick oder Radfahrende, die selbst beim Spurwechsel steif nach vorne schauen und alle anderen Verkehrsteilnehmer ausblenden – müsste eigentlich viel mehr passieren.
Also schnell einen Dank abgesetzt und weiter ging es.